Unternehmensethik zahlt sich aus, auch in Euro und Cent

Unternehmensethik - Luxusgut im Wirtschaftsleben?

Lohnt es sich eigentlich ein Unternehmen nach ethischen Grundsätzen zu führen? Ist Unternehmensethik zwar erstrebenswert, aber ohne konkreten Nutzen für das Business? Erhöhen ethische Grundsätze nicht nur die Kosten und schwächen die Wettbewerbs-position? Legitime Ziele eines jeden Unternehmens sind schließlich Gewinne zu erwirtschaften, diese kontinuierlich zu steigern und die eigene Marktposition nachhaltig auszubauen. Der Konkurrenzkampf mit aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie beispielsweise China scheint Skeptikern darin Recht zu geben, dass Unternehmensethik etwas für Sonntagsreden ist. Dortige Unternehmen gewähren Ihren Arbeitnehmern kaum Rechte, faire Arbeitszeiten und -löhne sind ebenso ein Fremdwort wie Umweltschutz und nachhaltige Unternehmensführung. Ausschließlich deshalb können diese Unternehmen so preisgünstig produzieren, dass sie Teile des Welt-marktes aufrollen und etablierte Firmen aus preissensitiven Bereichen fast vollständig verdrängen. Schleifen wir also unsere ethischen Ansprüche und tun es diesen Volkswirtschaften gleich, weil wir uns nur so im Markt behaupten können?

Eines der ersten Unternehmen, das auf dem Gebiet der Unternehmenswerte von sich reden machte war das IT-Unternehmen HP. Sehr früh setzten sich die Unternehmensgründer Bill Hewlett und Dave Packard damit auseinander, wie sie ihr Unternehmen führen wollten. Vertrauen, Teamwork und flache Hierarchien bildeten die Grundlagen ihres Unternehmens. Der Einsatz für die Kunden, Vertrauen und Respekt, Ergebnisorientierung, Geschwindigkeit und Flexibilität, wegweisende Innovationen, Teamwork und kompromisslose Integrität sind gelebte Realität. Sie sicherten HP von Anfang an erstklassig ausgebildete und hochmotivierte Mitarbeiter und generierten so den notwendigen Vorsprung vor den Mitbewerbern, um zum Weltkonzern aufsteigen zu können.
Wer glaubt Mitarbeiter seien mit Geld nachhaltig zu motivieren irrt gewaltig. Viel wichtiger ist ein Klima, das dem Arbeitnehmer erlaubt, seine Fähigkeiten einzubringen, lobt anstatt nur vorauszusetzen und Entscheidungen transparent macht. Dem Mitarbeiter etwas zutraut anstatt ihn nur zu bevormunden. Ein solches Unternehmen wird fast automatisch hochmotivierte und loyale Mitarbeiter hervorbringen. Soft Skills sind sehr bedeutende Faktoren für Unternehmenswachstum und eine erfolgreiche Behauptung der Marktposition in schwierigen Zeiten, haben aber einen entscheidenden Nachteil. Leere Worthülsen fruchten nicht. Die definierten Werte müssen nachvollziehbar im Unternehmensalltag gelebt werden.

Dass sich dieser Aufwand lohnt, belegt die Abwesenheit unternehmensethischer Werte bei den Verursachern der Finanzkrise, die weltweit fas fünf Billionen Euro Kapital vernichtet haben. Die Maxime, der alles untergeordnet wurde war Geld. Der variable Anteil an der Gesamtvergütung vieler Mitarbeiter war so hoch, das erfolgreiche Banker ein Vielfaches mehr verdienen konnten als der Vorstand selbst. Erfolg wurde dabei lediglich monetär definiert. Wer im abgelaufenen Geschäftsjahr hohe Gewinne generiert hatte, wurde fürstlich entlohnt unabhängig davon, welche mittelfristigen Konsequenzen sich daraus für das Unternehmen selbst ergaben. Leider hatte man versäumt die Erfolgsbeteiligung auch an die mittel- und langfristige Unternehmensentwicklung und an nichtmonetäre Ziele zu knüpfen. Dies führte über die Jahre zu kurzfristig denkenden und auf den eigenen Profit fixierten Mitarbeitern, die den Blick für die langfristige Unternehmensentwicklung verloren haben. Die Folge, eine der größten Wirtschaftskrisen nach 1930 und einer weltweit aufgeblähten Staatsverschuldung.

Die Einbindung und Nachverfolgung unternehmensethischer Ziele in die strategische Unternehmensplanung zahlt sich mehrfach aus. Sie bindet mitdenkende Leistungsträger langfristig ans Unternehmen, schafft somit unbezahlbares Know-how und sichert eine nachhaltig positive Unternehmensentwicklung. Und - ganz nebenbei - erhöht sie die Rentabilität.

Kirchliche Impulse zur Wirtschaftsethik


Der Papst widmet sich in der Nummer 65 der Sozialenzyklika ausführlich dem Finanzwesen. Dieser Teil ist eingebettet in die Grundaussage von „CARITAS IN VERITATE“ und muss von der Kernaussage in Nr. 5 her betrachtet werden, die später in Nr. 21 auf die Motive wirtschaftlichen Handelns hin konkretisiert wird:

„Ohne Wahrheit, ohne Vertrauen und Liebe gegenüber dem Wahren gibt es kein Gewissen und keine soziale Verantwortung: Das soziale Handeln wird ein Spiel privater Interessen und Logiken der Macht, mit zersetzenden Folgen für die Gesellschaft…“

„ … Gewinn ist nützlich, wenn er in seiner Eigenschaft als Mittel einem Zweck zugeordnet ist, welcher der Art und Weise seiner Erlangung ebenso wie der seiner Verwendung einen Sinn verleiht. Die ausschließliche Ausrichtung auf Gewinn läuft, wenn dieser auf ungute Weise erzielt wird und sein Endzweck nicht das Allgemeinwohl ist, Gefahr, Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen.“

Was für die gesamte Wirtschaft gilt, hat insbesondere im Bereich der Finanzwirtschaft Gültigkeit. Denn hier werden oft mit abstrakten Konstrukten, die ihre Rechtfertigung ausschließlich aus sich selbst und einer schieren Gewinnmaximierung beziehen, enorme Risiken eingegangen. Allzu häufig haben diese Derivate nichts mehr mit den tatsächlichen und legitimen Anliegen der Wirtschaft gemein, Handelsgeschäfte abzusichern.

Die gegenwärtige Krise ist letztendlich dadurch entstanden, dass der legitime Ansatz allen Wirtschaftens, Gewinne durch Produktion von Gütern und das Anbieten von Dienstleistungen, die den Menschen einen fairen Mehrwert bieten, indem ihre Bedürfnisse angemessen befriedigt werden, zugunsten eines egoistischem Strebens nach persönlichem Profit zu Lasten der Allgemeinheit geopfert wurde.

Vor diesem Hintergrund fordert die Sozialenzyklika eine Erneuerung der Strukturen und der Bestimmungen für die Funktionsweisen des Finanzwesens, die zum Ziel haben müssen, Vermögen zu schaffen, anstatt zu zerstören. Dies kann nur realisiert werden, wenn sich die Finanzwirtschaft wieder neu auf das zurückbesinnt, was ihre einzige Existenzberechtigung ist, nämlich nach ethischen Maßstäben als Werkzeug gebraucht zu werden, das die finanziellen Mittel unter angemessenen Bedingungen bereitstellt, die Volkswirtschaften, Unternehmen und der einzelne Mensch für die Weiterentwicklung benötigen. Dies beinhaltet auch die Gewährung von so dringend benötigten Investitionskrediten, damit unsere Unternehmen sich den Herausforderungen der Zukunft stellen können und damit ein nachhaltiges Konjunkturwachstum sichergestellt wird.

Gewinne an sich sind nichts verwerfliches, so lange angemessene Teile wieder der Allgemeinheit zu Gute kommen. Im Finanzwesen sollte deshalb ausdrücklich über die Ausweitung oder bei vielen Instituten leider erst über die Einführung von so genannten Mikrokrediten nachgedacht werden. Nicht nur im Zusammenhang mit Entwicklungsländern, sondern auch in den so genannten hoch entwickelten Volkswirtschaften. Viele Existenzgründungen werden verhindert, weil der Kapitalbedarf schlichtweg zu gering ist, um ein Engagement von Geschäftsbanken zu rechtfertigen. In diesem Bereich ist ein großes Umdenken notwendig. Weg vom Shareholder Value und Rentabiltätszielen von 25%, hin zur langfristigen Förderung des Allgemeinwohls durch Unterstützung von notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen, auch im Non- Profit- Bereich.

Eigentlich selbstverständlich, aber vor dem immensen Scherbenhaufen als Folge der Fehlentwicklungen im Finanzsektor leider immer noch erwähnenswert, die Aufforderung der Enzyklika, die Überlegungen zur Neustrukturierung so anzugehen, dass künftig sichergestellt bleibt, dass alle Finanzprodukte die Förderung der realen Wirtschaft zum Ziel haben müssen. Nur so kann nachhaltig garantiert werden, dass keine Schattensysteme mehr aufgebaut werden, deren Regeln und Konsequenzen von niemandem mehr verstanden werden, geschweige denn, dass die Mechanismen kontrolliert werden können.

Die handelnden Personen werden aufgefordert, sich ihrer Verantwortung wieder vollumfänglich bewusst zu werden und die eigentlich ethische Grundlage ihres Handelns zu entdecken. Nicht der Profit ihres Institutes oder gar die eigene, durch fehlgeleitete Bonusprogramme begünstigte, persönliche Bereicherung dürfen im Vordergrund stehen, sondern ausschließlich das Wohl des Kunden. Dies wird nur durch eine absolute Transparenz im Finanzsektor erreicht werden können. Einer Transparenz, die höchsten ethischen Ansprüchen genügen muss und offenlegt, ob ein Geldinstitut an seinen Investitionsempfehlungen verdient, welche Produkte warum empfohlen oder selbst aufgelegt werden, wie die hausinternen Provisions- und Bonussysteme und Kreditvergaberichtlinien aussehen. All dies sollte durch unabhängige Dritte jederzeit überprüft werden können.

Nur indem die Verantwortlichen selbst ihre ethische Verpflichtung wahrnehmen, ja sie in letzter Konsequenz über den Profit selbst stellen, wird das Finanzsystem nachhaltig erfolgreich sein und Krisen, wie die jetzige, endgültig der Vergangenheit angehören.

Auf dem ersten Blick werden viele geneigt sein, diese Forderungen als utopisch abzutun, da Wirtschaft und damit auch die Finanzwirtschaft eben gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und Profite nunmal die einzige Existenzberechtigung eines Unternehmens sind. Diese Sichtweise zeigt allerdings nur, wie weit wir uns schon von einer gesunden Wirtschaftsdefinition entfernt haben. Am erfolgreichsten sind nach wie vor die Unternehmen, die Geld lediglich als Mittel sehen, um gute Produkte anzubieten, die dem Käufer einen Mehrwert geben. Dies muss umso mehr für die Finanzwirtschaft gelten, der eine Schlüsselrolle für die Versorgung der Wirtschaft mit eben diesem Mittel zukommt. Leider stehen wir in diesem Wirtschaftszweig erst ganz am Anfang dieser Entwicklung, die sich in der übrigen Wirtschaft schon durchgesetzt hat. Gerade die Bank- und Fondsmanager haben hier noch einiges zu lernen und bedürfen unserer nachhaltigen Unterstützung, auch und gerade durch Horizonterweiterungen von kirchlicher Seite, wie durch die jüngste Enzyklika.
Stefan Drägert